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Spirare

Fragmente. Fragmente.

 

Endlich. Fast platzte sie. Wie ein Wirbelsturm... Sie schaute sich um. Hinter ihr im Garten bewegten sich die Birken und Eschen im Wind, als wollten sie das gerade geschriebene Wort unterstreichen. Es rauschte und einen Wirbelsturm kannte sie nicht. Also was sollte das, diese Dramatik war nicht Teil eines Theaterstücks. Das war Leben. Wie keiner oder niemand es sich wünschte und auch Jette nicht. So nicht. Und es war noch nicht vorbei. Sie waren erst am Anfang der Kurve und das unvorstellbar. Für sie, so für viele. Dachte sie, und wusste es nicht.

 

Amrum, Kniepstrand
Spirare

 

Jette befand sich in einer verlangsamten Welt, die sie schon früher gefunden hatte und die ihr gefiel. Es war wie die Entdeckung der Langsamkeit in einer Wirklichkeit, die so nicht gut war, sich nicht gut anfühlte. So konnte sie die langsamen Stränge der Zeit nicht so recht genießen, atmen. Und der Stift ging zu langsam. Die Gedanken wirbelten. Sie kam nicht nach und draußen rüttelten die Bäume. Die Wahrheit wirkte. Die Wirklichkeit erschlug sie fast, wie ein Baum, der fällt. Sie sieht es kommen. Und ihn, den Baum, die Birke. Auf sie zu und dann war es schon passiert. Denn sie wünscht sich die Vergangenheit, alles vergangen. Für das weiter gehen. Zurückblicken, alles nochmal 'jut jegangen', so oder ähnlich ging das in Kölle. Wo sich das Kind mühte im Krankenhaus und half den Feind zu bezwingen, der dort noch nicht eingezogen war. Gott sei Dank. Da wurde die Liebe eigennützig mit Macht, die sie nicht hatten und sie mussten warten, ausharren in Langsamkeit. Vernünftig sein. Das kannte sie noch von früher. In ihrer Kindheit musste oder besser sollte Jette das sein, sehr oft, und sie war es seltener oder tat nur so. Sie war eine Tagträumerin, eine Traumtänzerin. Jemand hatte sie mal eine Lebenskünstlerin genannt. Sie liebte das Langsame. Es war alles viel besser zu fassen, zu spüren, zu ergründen. Alles war näher. Nicht so an der Oberfläche, wie eine Entenfeder, die über den See schwebte und schon dem Blickfeld entschwunden war.

 

 

Feldberger Seenlandschaft
Lieblingsplätzchen, am liebsten mittendrin

 

Oft und dann immer öfter hatte sie es weggeschubst dieses Ungenaue und es intensiver, intensiv betrachtet und gelebt. Sich der Welt entzogen und alleine gemacht. Sich nur dann und wann ins Getümmel gestürzt, um dann wieder aufzutauchen. Wenn sie das Erlebte verdaut hatte, wie einen Wein, den sie verkostete. Wenn das nächste Ereignis zu schnell kam, verlor sich zu viel im Ungewissen, im Vergangenen.

 

 

Langsam war besser als schnell. Doch der Zustand, dieser gerade, durfte ruhig schnell vergehen. Doch sie mussten warten. Warten und wussten nicht, wie es weiterging. Das war es: dieses Ungewisse zermürbte und machte die gelebte, fast erzwungene Langsamkeit zu einer traurigen Zeit. Und das Leid, das so vielfach schon da war, machte es schlimmer.

 

 

Da wurde Jette wieder zum Ich, das sich wünschte, das dies alles schon vorbei war und sie in einem Jetzt war, in dem sie es vorlas ihren Besuchern. In einer Stadt, in der alles ihren Gang ging, wie es früher einmal war und besser, und sie lachten, und es eine frohe Zeit war, und sie doch nicht vergaßen, was war. Sie daran festhalten konnten, was sie gelernt hatten, vielleicht. Das wünschte sich nicht nur Jette. Alice brauchte sie nicht zu fragen, die...

 

Das war´s erstmal.

 

Hoffentlich. Dann. Jetzt!

 

Was für eine Zeit.

©geertjens ©wandelsinn

 

Köln am Rhein
Kölle

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